Geschichte

Auf dem Gelände der Floating University hat sich eine Vielzahl von Tieren, Pflanzen und Algen angesiedelt und eine einzigartige Landschaft geschaffen: eine vom Menschen geschaffene, von der Natur zurückeroberte Umgebung, in der verschmutztes Wasser mit der relativ neuen Präsenz der Universität koexistiert und eine Naturkultur (Haraway) oder eine dritte Landschaft (Clément) bildet.

Das Gelände wurde in den frühen 1930er Jahren als Regenrückhaltebecken für das Tempelhofer Flugfeld und die angrenzenden Alleen angelegt und nach dem Zweiten Weltkrieg von der US-Armee zubetoniert. Heute ist es eine voll funktionsfähige öffentliche Infrastruktur: Es fängt Regenwasser auf und leitet es in das städtische Kanalsystem ab. Außerdem ist er von einer Kleingartenkolonie umgeben und daher für Passant*innen fast unsichtbar.

Nach der Schließung des Flughafens Tempelhof im Jahr 2008 sah der Sanierungsplan der Stadt vor, das Flugfeld zu überbauen und die angrenzende Regenwasserinfrastruktur zu verlegen. Damit wäre das 22.500 m2 große stadteigene Grundstück, auf dem sich das Wasserbecken befindet, zu einem wertvollen und rentablen Vermögenswert für das Berliner Immobilienportfolio geworden. Beim Tempelhof-Volksentscheid im Jahr 2014 stimmten die Berlinerinnen und Berliner jedoch gegen die Stadt und verhinderten jegliche Bebauung des Flugfeldes. Das Ergebnis dieses Volksentscheids schützte nicht nur die einzigartige innerstädtische Grünfläche, sondern auch das Becken.

Das Regenrückhaltebecken war seit über 80 Jahren für die Öffentlichkeit gesperrt. Im Rahmen der Recherchen für die große Weltausstellung 2012, die auf dem riesigen Flugfeld des ehemaligen Flughafens Tempelhof stattfand, entdeckte die Architektengruppe raumlaborberlin das Becken zum ersten Mal. Seitdem begann der Prozess der Auseinandersetzung mit dem Ort, und als das Gelände 2018 als Floating University von der Architektengruppe raumlabor eröffnet wurde, war es eine ausdrückliche Entscheidung, die Wasserinfrastruktur als kulturellen und gesellschaftspolitischen Raum zu reaktivieren.

In Solidarität mit der Geschichte des Ortes und innerhalb der Tradition alternativer Narrative für die Stadtentwicklung verortet die Floating University ihre Mission: diese einzigartige öffentliche urbane Infrastruktur, ihre menschliche Kultur und ihre artenübergreifenden Überlagerungen zu öffnen, zu mildern, zu erhalten und zu pflegen, während sie der Öffentlichkeit nicht-disziplinäre, radikale und kollaborative Programme anbietet. Mit anderen Worten: Es ist ein Ort, an dem man lernen kann, sich zu engagieren, die Komplexität der Welt anzunehmen und sich in ihren Verstrickungen zurechtzufinden, sich andere Formen des Lebens vorzustellen und zu schaffen.

Satellitenansicht des Regenwasserrückhaltebeckens des Flughafens Tempelhof