Urbane Praxis
Die urbane Praxis ist dort am besten, wo sie die Komplexität der Stadt festhält. Als Praxis der Transformation und der ständigen Neuverhandlung, die tief in der Kunst verwurzelt ist, überschneidet Urban Practice die Sphären des Soziopolitischen, des Raumkulturellen, des Ökologischen und des Pädagogischen. Sie kann als ein transversaler Ansatz verstanden werden, der eine urbane Transformation bewirkt. Für uns umfasst die urbane Praxis die folgenden Dimensionen:
Praxis / Disziplinen / Ansätze / Prozesse
Urbane Praxis ist kein streng begrenztes Feld, sondern spielt sich an den Übergängen unterschiedlichster Disziplinen ab: durch inter- / multi- / trans- / extra- / anti- und nicht-Disziplinarität werden neue Formen des Tuns und Denkens. In Bezug auf komplexe und relationale Definitionen – wie die der Spatial Practice (Rendell), Social Practice oder Socially-based Art (Bishop) – kann Urbane Praxis mit den meisten künstlerischen Feldern, die mit der Stadt verbunden sind, assoziiert werden.
Ort / Ebenen / Umwelt / Arbeit / Material
Urbane Praxis steht immer im Zusammenhang mit einem Ort und dem wachsenden Verständnis des Ort-Seins. Ein Ort ist mehr als sein geografischer Standort und seine Materialität. Er konstituiert sich auf einer Vielzahl von Ebenen: über Objekte, Körper, Gebäude, Städte; auf menschlicher, urbaner und planetarischer Ebene. Orte haben Affekt und agency welche auf Künstler:innen und ihre Praxis einwirken. Der Prozess, an einem spezifischen Ort zu verweilen und mit ihm zu arbeiten, ist das Herz der urbanen Praxis.
Kollektivität / Öffentlichkeit / Werte / Formen
Urbane Praxis ist gesellig und kollektiv. Sie bietet Gemeinschaften eine Plattform um zusammenzukommen, zu kollaborieren, zu debattieren und Unterschiede zu verhandeln. Öffentlichkeit ist durch das Schaffen solidarischer Netzwerke, dem Aufbau langlebiger Beziehungen und der Förderung eines am Gemeinwohl orientierten, horizontalen Austausches Teil der Urbanen Praxis. Ohne diese Öffentlichkeit bleibt Urbane Praxis rein spekulativ.
Konzepte / Theorien / Diskurs / Kritisches Denken
Die Urbane Praxis gründet sich auf verschiedenen Traditionen des Kritisches Denkens und überträgt diese auf den Prozess des Machens. Dieses Wechselspiel zwischen Machen und Denken (thinking-making) wird von Theorien der Ethics of Care untermauert. Dies umfasst unter anderem das Recht auf Stadt; das Recht zur Reparatur; dekoloniale Studien; post-humanes Denken; ökologisches Bewusstsein; Allmende; kritische Raumtheorie und institutionelle Transformation. Indem verkörpertes, situatives, angewandtes und ortsspezifisches Wissen gleichwertig behandelt werden, bricht Urbane Praxis Hierarchien des Wissens auf.
Kontext / Situation / Zusammenhang / Fiktion
Urbane Praxis fordert rigide, hegemoniale Narrative heraus. Indem eine kritische Praxis durch kontextuelle, relative und situationsbedingte Logik etabliert wird, kreiert sie alternative Vorstellungen für einen Ort, eine Gemeinschaft, eine Stadt oder eine Gesellschaft. In der Urbanen Praxis ist es daher unabdingbar, sichtbare wie unsichtbare Dynamiken anzuerkennen, Interventionen in materiellen wie immateriellen Zuständen zu schaffen und zwischen dem Privaten, dem Öffentlichen und Gemeingütern zu navigieren.
Urbane Praxis Residency Programm
Kuratiert von Gilly Karjevsky und Rosario Talevi
Der Open Call für Urbane Praxis 2021 des Floating e.V. richtet sich an in Berlin ansässige Künstler:innen, sich mit einem praxis- und forschungsorientierten Programm für die Residency an der Floating University zu bewerben. Wir freuen uns über Projektvorschläge, in denen der Ort der Floating University und/oder die Stadt Berlin unmittelbar in die Arbeit eingebunden werden. Der Begriff der Urbanen Praxis soll hinterfragt, reflektiert und weiterentwickelt werden. Wir sind besonders interessiert an hybriden Ansätzen in Herangehensweise, Forschung und Praxis – und begrüßen experimentelle Formate und Ausdrucksformen, die die Grenzen von Disziplinen überschreiten. Performance, Spaziergang, Skulptur, Installation, urban games, Projektion, Text, Podcast: Das Format der Projekte ist offen, sie können forschungs- oder prozessorientiert sein, einmalig oder in Reihe stattfinden.
Am 18. Februar 2021 haben die fünf Finalist:innen des Open Call ihre Projekte in einer öffentlichen Jury-Sitzung präsentiert.
Finalist:innen
Bostjan Bugaric, Christina Serifi, Elian Stefa
mit UAU! Urban Activation Unit
Nina Fischer, Maroan El Sani
mit Art, Activism, Splitting Communities
Zoe Claire Miller, Marco Schmitt
mit Exorcier-Raku
Kavita Meelu
mit Berlin as a Diasporic Foodscape
Maternal Fantasies
mit Pflegen,Reime, Feigen: On Caring Coexistences
Die Jury
Dorothee Halbrock
Vorsitzende des Vereins und Projekts HALLO: Verein zur Förderung raumöffnender Kultur e.V. and PARKS
Aljoscha Hofmann
Architekt. Tempelhof Projekt GmbH. Think Berl!n. Initiative StadtNeudenken
Dr. Sabine Kroner
Projektmanagerin Berlin Mondiale. Teil des Rat für die Künste
María Inés Plaza Lazo
Kunsthistorikerin und Kuratorin. Gründerin von Arts for the Working Class und L’Union des Refusés
Dr. Tatjana Schneider
Architektin und Akademikerin. Vorsitzende des Instituts für Geschichte und Theorie der Architektur und der Stadt an der TU Braunschweig
Dr. Sumugan Sivanesan
Anti-disciplinary artist-researcher, writer and broadcaster. Produces Fugitive Radio: anti-colonial media and music, and organizes with Black Earth climate justice collective
Moderation by Jennifer Aksu
Urbanistin und Kulturmanagerin. Mitbegründerin und künsterlische Leitung des Invisible Playground
Die Urban-Practitioners-
in-Residence stehen fest!
Zoë Claire Miller und Marco Schmitt
»Exorcier-Raku«